Leserkanone.de-Exklusivinterview vom 01.05.2020

Im April veröffentlichte Marion Schreiner mit 
»Der neue Nachbar« ein neues Werk.
Im Interview mit Leserkanone.de sprach die Autorin über das Buch,
über unregulierte Heime und über ihren Youtube-Kanal.

– Frau Schreiner, anderthalb Jahre sind vergangen,
seitdem wir Sie zuletzt zu einem Gespräch begrüßen konnten.
Was hat sich in der Zwischenzeit im Autorinnenleben der Marion Schreiner getan?

Erst einmal ein ganz herzliches Hallo!
Mein Leben als Autorin steht nie still.
Es brodeln Geschichten und Ideen, die rauswollen.
Es gibt jedes Jahr zwei neue Psychothriller von mir.
Doch letztes Jahr gab es eine Ausnahme.
Auf Wunsch meiner Leser habe ich anstatt eines Thriller
einen humorvollen Roman zur Weihnachtszeit geschrieben, der total gut ankam.
Rückblick der letzten zwei Jahre:
Unbeseelt – Thriller
Die Gesichterwand – Thriller
Zimmer Nummer 8 – Thriller
Stress mit Rose – Roman

Privat: Ich lebe ja in Großbritannien an der Südwestküste. Somit habe ich den ganzen Prozess des Brexits mitbekommen. Zwischendurch sollte ich Oma werden, doch wir begrüßten ein Sternenkind in unserem Leben, was nun tief in unseren Herzen lebt. Derzeit leben wir mit dem Lockdown im Land. Doch es verändert mein Leben nicht sehr, weil ich immer schon daheim und isoliert gelebt und geschrieben habe.

– Macht sich die Corona-Krise auch bei Ihrer Arbeit als Autorin bemerkbar?

Wie ich eben erwähnte, macht die Krise sich nicht wesentlich für mich bemerkbar. Ich lebe mit meinem Mann (auch Autor) sehr still in einer ländlichen Gegend von West Somerset und wir arbeiten beide ungestört im »Home-Office« weiter. Was sich bemerkbar machte, waren einige Hürden bei meiner Aktion »Signierte Prints«, die ich immer starte, wenn ein neues Buch herauskommt. Diesmal musste ich mich besonders gut mit meinen Lesern und unserer kleinen Post in Minehead absprechen, doch alles lief total unkompliziert ab. Ich selbst lebe als Gefährdete isoliert, nur ein abendlicher Spaziergang ist drin. Mein Mann erledigt den Einkauf. Wir leben direkt am Exmoor Nationalpark, den wir derzeit nicht betreten dürfen. Ich vermisse meine Wanderungen an der Küste und das Reisen in andere Küstenorte.

– Inzwischen ist mit »Der neue Nachbar« ein neuer Roman aus Ihrer Feder erschienen. Was erwartet Ihre Leser in dem Buch?

Wieder mal eine außergewöhnliche Geschichte. Diesmal handelt es sich um die Lebensgeschichte des 17-jährigen Casey Logan.
Das Thema des Buches entstand letztes Jahr in meinem Kopf. In England und Wales kam es zu unfassbaren Meldungen über Jugendheime und Jugendpflegeunterkünfte. Orte, an denen Minderjährige Hilfe und Versorgung finden sollten. Unzureichend kontrollierte Heime. Drogen- und Waffengangs machten sich diese Unterkünfte zum Umschlagort ihrer kriminellen Geschäfte. Verzweifelte Jugendliche berichteten von Missbrauch, illegalem Handel und Gewalt.
Da all meine Thriller in den USA spielen, richtete ich meinen Blick auf die USA und kam nach intensiven Recherchen weiteren grausamen Methoden auf die Schliche. So entstand die Geschichte von Casey Logan ...
Ich sah einen Jugendlichen vor mir, der in einem Privatheim schreckliche Dinge erlebt. Mithilfe einer Mitarbeiterin des Heims gelingt ihm die Flucht.

– Inwieweit ist ein Schicksal wie das von Casey Logan auch im »richtigen Leben« denkbar? Stecken in seinem Fall im Wesentlichen nur Ihre eigenen Ideen, oder sind Sie bei Ihren Recherchen für das Buch auf vergleichbare Abgründe gestoßen?

Ich recherchiere immer zuvor, ob ich zu meiner Buch-Idee noch realistische Aufhänger finde, die ich einbauen kann. Und in der Tat, ich übernahm einige Aussagen von betroffenen Jugendlichen aus einem unregulierten Heim, allerdings etwas abgewandelt. Einerseits um die Authentizität der Geschichte zu erhalten, andererseits um keine privaten Details einzubringen. Die Geschichte von Casey Logan ist durchaus denkbar. Die meisten der Abläufe in der Geschichte stammen aus meiner Ideenkiste. Doch ich versuche mich immer im Bereich des Möglichen und doch Unerwarteten zu halten. Es soll ja auch spannend werden.

– Wie kamen Sie darauf, sich einem solch speziellen Problem wie dem der unregulierten Heime in Ihrem Buch zu widmen? Liegt es Ihnen in irgendeiner Weise besonders am Herzen?

Kinder und Jugendliche, die zu Opfern in der Gesellschaft werden, liegen mir immer sehr am Herzen. Ich bin gelernte Erzieherin und habe schon viel während der Ausübung meines Berufes erlebt. Das Thema der unregulierten Heime nahm Formen an, als ich eine Dokumentation im BBC darüber sah. Daraufhin ließ mich das Leid dieser Jugendlichen nicht mehr los und ich wollte in einer außergewöhnlichen Geschichte meine eigene Gerechtigkeit herstellen.

– Was ist der Reiz daran, beim Schreiben von Büchern immer wieder in die finsteren Ecken der menschlichen Seele zu blicken?
Wie kam es generell dazu, dass Sie ausgerechnet im Thrillergenre gelandet sind?


Das liegt wohl daran, dass die Psychologie mein Spezialthema ist. Ich verbeiße mich nur allzu gerne in emotionale und psychologische Reaktionen der Opfer. All meine Geschichten versuche ich so nah wie möglich an deren Gefühle und Wahrnehmung zu schreiben, damit die Leser meine Protagonisten spüren können. Wenn sie vom Opfer zum Täter werden, soll das nicht ihre Tat entschuldigen. Mir geht es nur um das reine Verstehen von Zusammenhängen. Leider werden viele Menschen in ihren Opferrollen allein gelassen und zu schnell verurteilt, ohne dass man weiß, was sich hinter deren Handlungen verbirgt.

– Was können wir von der Autorin Marion Schreiner in der nächsten Zukunft erwarten?
Sind bereits neue Buchprojekte in Planung? Stehen außerdem Termine für Messen, Lesungen & Co. fest,
bei denen man Sie live erleben kann?


Oh ja, der 2. Teil der Geschichte von Casey Logan steht an. Die Geschichte ist so gewaltig, dass ich nicht alle Fakten und Zusammenhänge in ein Buch bekommen habe, aber es ist mir (denke ich) ein guter und spannender Einstieg gelungen. Man kann das Buch auch mit der Ausgabe »Der neue Nachbar« beenden, doch wer Lust hat zu erfahren, wie es mit Casey Logan weitergeht, der kann sich auf den nächsten Teil freuen. Es wird wieder mächtig spannend.
Zum Thema Messen und Lesung: Ich lebe ich GB und da ist es schwer, mal eben zu deutschen Buchmessen zu fahren. Da ist noch Autistin bin, ist es besonders schwer für mich, dieser Masse von Menschen, Bewegungen und Geräuschen zu begegnen. Ich nehme vieles stärker wahr als Menschen ohne Autismus. Ich fahre nur zu Messen, bei denen ich zu Lesungen eingeladen werde. Das war fünf Mal in Leipzig. Dann konzentriere ich mich nur auf die Lesung, eine kurze Begegnung mit meinen Lesern und verschwinde wieder direkt, weil ich überfordert werde und kaum noch reagieren kann.
Derzeit ist nichts in Planung. Aber ich lese auch gerne mal ein ganzes Buch von mir auf Youtube vor, sodass Leser meine Stimme live hören. Bisher gibt es 2 gratis-Hörbücher. Man kann auch meine früheren Lesungen in Leipzig und in Büchereien über Videos auf meinem Kanal »Marion Schreiner« finden und anschauen.
Live bin ich immer in Facebook ... Jeden Tag kommuniziere ich dort mit meinen Lesern.

Das Team von Leserkanone.de dankt Marion Schreiner für die Zeit, die sie sich genommen hat!